Ein Reiseführer für die Welt der Kurzgeschichten

Wo man Ausschreibungen für Kurzgeschichten findet, hab ich euch ja hier schon gezeigt. Jetzt stell dir vor, du hast eine Ausschreibung mit einem grandiosen Thema gefunden und auch direkt einen herrlichen Einfall für eine Geschichte, die du unbedingt schreiben willst. Aber was nun?

Zunächst einmal lohnt sich ein genauer Blick auf die Ausschreibung.

Wer schreibt aus? Ist es ein Verein, ein Verlag, eine Privatperson für ein Selfpublishing-Projekt? Geht es um einen Wettbewerb, ein Magazin oder eine Anthologie? Wie sehen die anderen Projekte der ausschreibenden Entität aus? Gibt es Rezensionen etc. zu älteren Projekten? Kennt du Leute, die Erfahrungen mit ihm*ihr*ihnen hat? Stöbere ein wenig durch die Website, falls es eine gibt, recherchiere die Initiatoren*innen. Da ich wenig Zeit für kleine Nebenprojekte habe, bin ich wählerisch mit der Teilnahme an Ausschreibungen. Wenn ein Verlag sich beispielsweise auf der eigenen Seite abfällig über inklusiv gegenderte Texte auslässt oder die verlegende Person im hauseigenen Blog über „Wokeness“ schimpft, kann sie das natürlich machen – aber wir sind dann kein gutes Gespann. Wenn andere Anthologien aus diesem Haus aussehen wie selbstgemacht (mit Covergrafiken aus dem Kindergarten) und vor Druckfehlern strotzen, möchte ich damit nicht unbedingt in Verbindung gebracht werden. Das sind subjektive Kriterien, klar. Aber sei dir darüber im Klaren, dass dein Name eventuell eine laaaange Zeit im Zusammenhang mit diesem Projekt auftaucht und manche Leute deinen Geschichten zum erstein Mal in einer Anthologie begegnen.

Danach lohnt ein ganz genauer Blick auf die Ausschreibungsbedingungen. Genre, Textgattung, Deadline, gewünschte Länge, Dateiformat, Einreichbedingungen? Was benötigen sie noch von dir: Eine Vita? Ein Foto? Soll die Einreichung anonym erfolgen? Wird es eine finanzielle Kompensation geben? Sollst du vielleicht stattdessen ihnen etwas zahlen? In welcher Form und wann soll das Projekt realisiert werden?

Ich persönlich reiche nirgends etwas ein, wenn ich dafür auch noch zahlen soll. Man wird hierzulande mit Kurzgeschichten nicht reich, das ist mir klar, und am liebsten ist mir, wenn ich ganz egoistisch denke, eine angemessene einmalige Zahlung für ein zeitlich begrenztes Exklusiv-Nutzungsrecht. Viele Verlage schütten stattdessen anteilig Tantiemen an alle Schreibenden aus – das ist fair, aber für den Verlag mit großen Aufwand verbunden für Zahlungen, die sich oft im einstelligen Euro-Bereich bewegen (oder gesammelt werden, bis nach mehreren Jahren wenigstens ein zweistelliger Betrag erreicht ist). Projekte ohne Kompensation mache ich nur, wenn ich zum einen wirklich Spaß daran habe – das ist einfach, ich schreibe gern – und dann am liebsten für den guten Zweck, wie bei dieser Spendenanthologie für den Tierschutz. Manchmal kommt es auch vor, dass andere Autor*innen mich für ein Projekt vorschlagen oder ein Verlag o. ä. direkt auf mich zukommt und nach einer Geschichte fragt, da sag ich eigentlich nie nein.

Damit sind wir auch schon bei einem weiteren wichtigen Punkt: Warum? Nicht für das Geld, das ist schon klar. Auch nicht für den Ruhm der hält sich meist in Grenzen. Das meiste machen wir Künstler*innen halt für die Kunst, weil es uns ein Bedürfnis ist, eine sinnstiftende Tätigkeit und eine Freude. Aber natürlich kann man über solche Projekte auch einen Einblick gewinnen, wie beispielsweise ein konkreter Verlag arbeitet. Wie organisiert sind die? Wie laufen Lektorat und Korrektorat ab? Wirst du gut informiert? Magst du mit der Person arbeiten? Bist du mit dem Endprodukt zufrieden? Manchmal ergeben sich aus solchen Projekten Anknüpfpunkte für weitere Projekte oder Möglichkeiten für gemeinsame Veranstaltungen. Es lohnt sich also, mitzumachen – und noch viel mehr lohnt es sich, freundlich und professionell aufzutreten. Dazu dann demnächst mehr.


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