
Gestern war eine Schrottladung Zeug zu erledigen: Papierkram, Feiertagsgrußkarten, Päckchen packen, Bücher verschicken, Kuchen backen. Was sich so auf der To-do-Liste sammelt, wenn man professionell prokrastiniert. Jetzt kann ich nicht den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen, und die 20 Minuten in der Küche zählen einfach nicht als Ausgleich. Also habe ich mich aufgerafft, mit schmerzendem Rücken, und bin eine Runde durch unseren zauberhaften Wald spaziert.
Es war Sonntag und sonnig, also hatten viele andere Leute die gleiche Idee. Von Ruhe und Entspannung nicht viel zu sehen. Auf einer Lichtung tobten einige Kinder, Stockschwerter schwingend, von Baum zu Stumpf. Hunde und ihre Menschen knäuelten sich an strategisch günstigen Punkten zur obligatorischen Unterhaltung. In den Baumkronen schimpften die Eichelhäher über die unerwartete Unruhe.
Ehrlich gesagt, ich war müde. Sehr müde. Wär ich vorwärts aufs Gesicht gefallen, wäre ich liegengeblieben. Allerdings lässt man so ein schönes Wetter ja nicht einfach verkommen. Und die Runde hinterm Haus ist auch nur etwa fünf Kilometer lang, also gut zu bewältigen. Ich wich anderen Leuten aus, so gut es ging, und schlurfte vorwärts – in Gedanken immer bei der Tasse Kaffee, die ich mir zuhause als erstes machen würde.
Und irgendwann ist auch der längste Spaziergang zu Ende. Die Hochhäuser tauchten zwischen den unbelaubten Baumkronen auf, rechterhand konnte ich den Friedhof sehen. Das ist die Stelle, an der viele Spaziergänger, die extra für ihre Portion Wald auf den Berg kommen, ihre Autos abstellen. Und während ich weiter Richtung Heimat schob, tauchte um die Ecke auch eine ältere Mercedes-Limousine auf. Wurde langsamer, wendete in einer Einfahrt, hielt am Bordstein.
Die Tür ging auf. Dampfschwaden erhoben sich in die Lüfte.
Kindheitserinnerungen an lange Autofahrten mit meinen rauchenden Eltern suchten mich heim.
Ein schick angezogener Mensch mit asiatischem Aussehen stieg aus dem Wagen. Er reckte sich und machte ein paar Tanzmoves, bei denen ich nicht weiß, ob sie in Mode sind. Aus dem Wageninneren erschall Gelächter.
Und dann passierte es!
„Last christmas I gave you my heart …“ – in bester Autolautsprecherqualität.
Die Szene dauerte nur einen Augenblick.
Der junge Mann stieg wieder in den Wagen, die Türen schlossen sich und der Mercedes rollte davon.
So wurde ich dieses Jahr also gewhamt. Wie in einer Twin-Peaks-Episode.
Ach, es könnte bestimmt noch schlimmer sein.
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