Gefühle – lieber innen oder außen?

Diese Woche im Sprechkurs (damit ich euch schöne Geschichten auch schön vorlesen kann) haben wir uns mit Werbetexten beschäftigt. Das ist mein Endgegner. Die Anweisungen sehen in etwa so aus:

Wir suchen eine*n Sprecher*in für einen Werbespot von 60 Sekunden bei kleinem Budget. Der Spot soll enthusiastisch, informativ, empathisch und freundlich klingen. Er soll begeistern!

Und dann hast du da einen Text von 51 Wörtern, denn eine übermüdete und unterbezahlte Marketingperson („kleines Budget“) morgens um drei in die Tasten gehustet hat. Mit mehr Augenmerk auf „Werbesprech“ als auf schöner Sprache. Flow? Rhythmus? Nööööö, machenwa nich.

Jetzt bin ich wirklich introvertiert. Merkt man eventuell nicht, wenn man mir auf Messen oder so begegnet, aber ich trage meine Gefühle bevorzugt innen. Meine liebste Veranstaltung ist wirklich der stille Lesemorgen auf dem Balkon mit Kater. Ich kann auch hingebungsvoll tagelang mit niemandem sprechen. (Nächster Urlaub in der Mord-Wald-Hütte, wann???) Wenn ich also für so eine Sprech-Übung auf einmal all meine Gefühle hörbar außen tragen soll, und das auch noch werbetechnisch überzeichnet, fällt mir das schon schwer.

Kennst du meine Buchwerbung? Dann weißt du ja Bescheid.

„Kauf dieses Buch. Reden wir nicht weiter drüber.“ (Setzt Sonnenbrille auf und wandert aus.)

Deswegen waren im Sprechkurs dann auch alle – einschließlich meiner Wenigkeit – überrascht, dass der Werbetext richtig gut funktioniert hat. Natürlich werde ich das nie reproduzieren können. Vielleicht war ich kurzfristig vom Geist eines*er verstorbenen Profisprecher*in besessen. Falls ja … war gar nicht schlimm. Würd ich wieder machen.

Ooooooder möglicherweise habe ich in den letzten Jahren tatsächlich etwas dazugelernt. Dann müsste ich mir einen neuen Endgegner suchen. Live-Comedy, ich komme! ^^

Sacken lassen

Es hilft ja gelegentlich, Dinge „sacken zu lassen“. Also zu warten, bis etwas sich etwas gesetzt/gefestigt/beruhigt hat, und dann zu schauen, was da eigentlich ist. Vor allem im Lernbereich ist das angeblich eine prima Methode.

Wer mich kennt, weiß: Da hab ich keine Geduld für.

Letztes Wochenende habe ich dann allerdings nach Mooooooonaten zum ersten Mal wieder einen kurzen Text eingelesen und dabei gemerkt – huch, ich glaube, ich bin tatsächlich besser geworden. Ob das daran liegt, dass ich das über lange Zeit gelernte etwas ruhen lassen und verinnerlichen konnte? Oder kommt es mir nur so vor, weil der Abstand zu meinen letzten stümperhafteren Aufnahmen größer ist? Bin ich vielleicht gar unkritischer, weil ich mich weniger mit der Materie beschäftigt habe, und in Wahrheit gar nicht besser geworden?

Tja, auch das wird wohl nur die Zeit zeigen. Jetzt bin ich erst einmal froh, dass ich wieder mehr Zeit für solche Aktionen habe, und freue mich darüber, dass ich das Aufnehmen tatsächlich vermisst habe.

(Das Schneiden nicht, fürchte ich – das nervt mich ähnlich hart wie das Überarbeiten meiner geschriebenen Texte. Irgendwie habe ich den Anspruch, dass all meine Wortergüsse doch bitte eigentlich im ersten Anlauf wohl gefälligst mindestens perfekt zu sein hätten, vielen Dank.)

Man soll ja auf sich selbst hören

Und das habe ich heute morgen auch gemacht. Regina Lehrkind hat mich nämlich für ihren Podcast „Buchwerkstatt“ darüber ausgefragt, wie es ist, als größenwahnsinnige Selfpublisherin Hörbücher aufzunehmen. Die Aufnahme haben wir Ende Februar gemacht, und in der Zwischenzeit hatte ich natürlich komplett vergessen, worüber wir geredet hatten. Es war also durchaus spannend, die Folge heute morgen direkt noch einmal anzuhören. Und was ich alles dabei gelernt habe! Beispielsweise rede ich immer noch viel zu schnell. Es tut mir leid, ich muss nun einmal sehr viel „schlau“ in sehr kurzer Zeit unterbringen – ein normaler Mensch hat schließlich nur etwa 80 Jahre, und das erste davon kann man nicht einmal reden! Stellt euch das vor. Diese verlorene Zeit versuche ich offenbar immer noch aufzuholen. ^^

Schwarzweißbild: Ein Kind mit kurzen Haaren singt oder schreit vor einem Mikrofon mit Ploppschutz.
Foto von Jason Rosewell, gefunden aufUnsplash

Ernst beiseite, das mit dem Schnell-Sprechen ist mir bewusst. Wenn ich Geschichten aufnehme, habe ich häufig eine Metronom-App laufen, die mich auch genau daran erinnert. Aber ich muss es noch im Alltag verinnerlichen. Viele andere kleine Sprechfehler habe ich mir schon größtenteils abtrainieren lassen (danke, Sandra!), und was am Ende übrig bleibt, muss ich halt als Charakter deklarieren.

Falls du neugierig geworden bist, kannst du dir die Episode – und viele andere Interviews mit klugen Menschen, die mit Büchern zu tun haben – hier anhören. Oder eben überall da, wo es gute Podcasts gibt.