Rosalindas Hass auf Männer (enthält Spoiler für „Zuflucht in Schattenfall“)

Vor einigen Tagen erreichte mich Kritik. Das ist an sich nicht schlimm – ich mag Rückmeldungen zu meinen Büchern, auch wenn sich Leute an etwas stören oder ich mal etwas explizit verbockt habe.

Über diese Rückmeldung habe ich allerdings eine Weile nachgedacht.

Warum Rosalinda so einen Hass auf Männer habe? Schließlich würde sie vor allem Thomas unterstellen, nur „das eine“ zu wollen, das werfe ein ganz schlechtes Bild auf Männer und überhaupt.

(Ich paraphrasiere das alles ein wenig. Ihr versteht mich.)

Und ja, wenigstens zu Beginn des Buches hat Rosalinda einen sehr eingeschränkten Blick auf Männer. Aber das ist nur logisch – schließlich ist sie in einer rein weiblichen Hexengemeinschaft aufgewachsen und hat dort die klassische Hexenmythologie gelernt.

Möglicherweise kennen viele meiner Lesenden sich damit nicht gut aus. Ich hingegen bin seit mehr als 25 Jahren mit der heidnischen Szene involviert, und ich muss sagen: Viel, was als „traditionelles Hexenwissen“ verkauft wird, ist mal so unglaublich traditionell-heterosexuell und auf Sexualität ausgerichtet, es ist schon fast albern.

Ehe jemand meckert: Natürlich gibt es viele differenzierte gut Quellen, die über das „Vereinigung der Gegensätze“-Geschnacksel von Hohepriester und Hohepriesterin hinwegkommen, aber es gibt auch genau so viele, die da elegant versagen. Egal, ob es um „Frauenmysterien“ (menstruieren, gebären, pflegen, weise gucken) geht oder um Rituale (Kelch und Messer/Stab als Symbole für Ihr-wisst-schon-Zwinkizwonki), viele Autor*innen scheinen gedanklich immer noch in der puritanischen Welt festzuhängen, in der sie selbst aufgewachsen sind, und wollen der etwas entgegenstellen. Dass sie dabei in genau die gleiche Falle tappen, indem sie alles irgendwie doch wieder auf Sex etc. zurückbiegen, fällt ihnen nicht auf. Und es ist ja auch klar: Wir sind alle Produkte der Welt, in der wir aufgewachsen sind.

So also auch Rosalinda. Wenn ihre Hexengemeinschaft sich mit männlichen Gemeinschaften getroffen hat, dann in erster Linie für zwinkizwonki-inspirierte Rituale und Feste. Die Austauschjahre finden explizit zum Rumvögeln (excuse my Deutsch) und für die Fortpflanzung statt. Dann fühlen die Hexen sich ultra-befreit und fortschrittlich, während die Erwartung ist, dass jede von ihnen zwangsläufig Jungfrau-Mutter-Alte sein wird.

An Rosalindas Stelle wäre ich auch weggelaufen, das klingt furchtbar einschränkend. Nichts gegen all die Leute, für die so ein Leben die Erfüllung eines Traums wäre, aber wenigstens die Wahl muss man doch haben. Und natürlich habe ich den Coven übertrieben. Die wenigstens Gemeinschaften sind genau so traditionell-verbohrt. Wobei die Reaktion vieler Gemeinschaften auf trans oder nonbinäre Personen schon deprimierend ist. Wir sollten es besser machen.

Zum Glück trifft Rosalinda in Schattenfall eine Reihe von Leuten, die sehr geduldig mit ihren Vorurteilen umgehen, bis sie lernt, dass Männer auch nur Menschen sind. Diese Erkenntnis ist Teil der Entwicklung dahin, dass sie am Ende nicht Hals über Kopf davonläuft und alles abstreift, was ihr bisheriges Leben ausgemacht hat. Stattdessen entschließt sie sich, zu bleiben und für sich selbst eine neue Rolle zu definieren. Schließlich hat nicht einmal die Hohepriesterin die Wahrheit gepachtet.

Diese Vorhersehbarkeit ödet mich an!

CN: Erwähnung von Gewalt, Körperteilen, Blut, sexueller Gewalt; Schimpfwörter

Großaufnahme mehrerer bunter Tarotkarten, die durcheinander mit der Bildseite nach oben auf einer hellen Fläche liegen (Rider-Waite-Tarot).
Foto von Viva Luna Studios, gefunden auf Unsplash

Früher habe ich viele Thriller und Krimis gelesen, doch irgendwann hatte ich das über.

Zum einen wegen der immer absurderen Gewalt-Exzesse: In wie viele Teile können wir die Leiche diesmal schneiden? Findet der Kommissar den Augapfel diesmal im Kaffee oder im Dessert? Wie viel PS braucht die Kettensäge, mit der wir den fiesen Chef der Ehefrau umbringen, und wie weit spritzt das Blut? Es werden Wetten angenommen!

Zum anderen nervt mich diese unglaubliche Vorhersehbarkeit – was die Charaktere angeht (geschiedener Ermittler mit Alkoholproblem und komplizierter Beziehung zu seinem Kind, anyone?) und in Bezug auf die Fälle. Es kann doch nicht sein, dass JEDER bei der Polizei einen Erzfeind aus Kindertagen hat, der jetzt als Psychopath hackstückelnd durch Buxtehude zieht???

Ein besonderes Ärgernis betrifft hierbei die Behandlung von Frauen. Ja, jetzt fängt sie wieder mit DEM Thema an. Aber bleibt mal dran, das ist vielleicht wichtig. Möglicherweise hab ich darüber auch schon geschimpft, ich ärgere mich schon seit längerem.

Also.

Wenn eine Frau – und es ist beinahe egal, ob sie jetzt Protagonistin oder Sidekick ist, Opfer oder Bösewichtin – irgendwie definiert werden soll, wird sie eben fix vergewaltigt. UND DAS ÖDET MICH AN! Nicht, weil das so abwegig wäre (wir alle kennen die Statistiken), sondern weil es so viel mehr gibt, was man Frauen antun kann, um ihren Charakter zu formen! Klar, schon beim Ermittler gibt kaum noch wer sich Mühe, aber die Zahl der Frauen, die sexuelle Übergriffe erlebt haben und das (NUR DAS!) als prägendes Erlebnis haben, quasi als Zentrum ihres Charakters, wie er geschrieben steht, ist lächerlich. GEBT EUCH MÜHE.

(Die nächsten Abschnitte enthalten Spoiler für das Buch „The Sanatorium“ von Sarah Pearse)

Neulich beispielsweise habe ich einen Thriller gelesen: Spannend geschrieben, interessantes Setting, toller Sprachgebrauch. Wirklich eine Lese-Empfehlung … und das trotz der Sache, über die ich jetzt schimpfen werde.

Die Idee ist komplex: Ein ehemaliges Sanatorium für Tuberkulose-Patientinnen in den Schweizer Alpen ist zu einem Hotel umgebaut worden, und durch einen Sturm werden die wenigen Gäste und Mitarbeiter*innen jetzt von der Außenwelt abgeschnitten. Das ist ungünstig, denn irgendwer fängt an, Leute auf grafische Weise zu ermorden. Natürlich ist eine aktuell beurlaubte Polizistin vor Ort, die eine komplizierte Beziehung zu gleich mehreren Leuten im Hotel hat. Die ermittelt und findet heraus, dass in dem Sanatorium damals unethische medizinische Experimente und möglicherweise auch sadistische Praktiken an den Insassinnen durchgeführt wurden, und das hat irgendwie mit den aktuellen Morden zu tun.

Nur LEIDER, LEIDER, LEIDER wird dieser Zweig kaum weiter verfolgt. Also ja, das wird erwähnt und jemand findet explizite Fotos von damals und die Leichen sind hergerichtet wie die Opfer der Ärzte vor hundert Jahren. Aber so richtig wichtig ist das nicht, denn der EIGENTLICHE Trigger für die Taten ist die Tatsache, dass die Person, die die Morde begeht, vor mehr als zehn Jahren von jemandem vergewaltigt wurde, der auch schon lange tot ist. Und das hat die Person jetzt wegen dieser Fotos irgendwie daran erinnert, dass Frauen ja oft Opfer sind, und deswegen wird jetzt gemetzelt.

Echt jetzt?

Es gibt massig historisch belegte „Vorbilder“ für unethische Behandlung und Experimente in einem medizinischen Kontext, über einige davon habe ich in meiner Diplomarbeit geschrieben. Und wer will, kann tonnenweise Literatur zum Thema finden. Es wäre also ein LEICHTES gewesen, aus diesem Erzählzweig eine richtig gute Motivation für die Täterperson zu schreiben, komplett ohne ihr an die Wäsche zu gehen. Also bin ich eh schon empört, dass die Vergewaltigung da quasi eben schnell reingeschrieben wurde, weil „das macht man halt so“ – und dann geht das eigentlich viel relevantere Thema daneben einfach komplett unter und wird mit „die armen Frauen!“ vom Tisch gewischt.

Das Buch ist übrigens dennoch gut. Wirklich. Lest es unbedingt, wenn es euer Ding ist, und rollt an der entsprechenden Exposition am Ende einfach mit den Augen. Und wenn ihr eigene Thriller oder Krimis schreibt, überlegt euch doch mal, was man Frauen alles Schlimmes tun kann, ohne sie dafür auszuziehen.

Beobachtungen am Bildschirm

Oder eigentlich eher Beobachtungen auf der Leinwand, denn wir haben zuhause ein fast schon luxuriöses Entertainment-Center mit gigantischem Bild. Auf jeden Fall nutze ich das ganze Samstags, wie vielleicht schon bekannt, regelmäßig dazu, auf dem Sofa zu hängen und mir absurde, abstruse und sonstwie abwegige Filme anzuschauen. Dabei darf es gerne gruselig oder blutrünstig zugehen, das ist jedoch kein Muss.

Neulich also schaute ich aus einer Laune heraus In the shadow of the moon. Ein Polizist ruiniert sich sein Leben damit, nach einer mysteriösen Serienkillerin zu suchen, die mal stirbt und dann wieder da ist. Eigentlich ein interessanter Film, ich habe mich größtenteils gut unterhalten gefühlt – auch wenn man deutlich dazu sagen muss, dass die Drehbuchschreiber offenbar genau sieben Sekunden auf die wissenschaftliche Recherche verwendet haben, das schmälert den Filmspaß ein wenig. Doch dafür sind wir ja nicht hier.

Ärgerlicher fand ich in der Tat, dass sich im kompletten Film keine zwei Frauen miteinander unterhalten. Auch nicht im Hintergrund. Miteinander redende Frauen scheint es einfach nicht zu geben.

Ja, aber (ich höre es kommen) der Film wird ja aus der Perspektive eines Mannes erzählt, darum kommen Frauen nicht zentral drin vor.

Ergibt das Sinn?

Also, ich sag mal … ich lebe mein Leben sozusagen aus meiner eigenen Perspektive, quasi als Frau. Und ich sehe andauernd Männer miteinander reden. Daran kann es also nicht liegen.

Eine mindestens genau so gute Theorie wäre, dass sämtliche Statistenszenen zufällig an genau dem Tag gedreht wurden, an dem Winterschlussverkauf war. Wir Frauen müssen ja Prioritäten setzen, nicht wahr? o.o

Es spoilert (ein bisschen): Captain Marvel

Disclaimer: Der folgende Text enthält minimalstwinzige Spuren von Sarkasmus und Erdnüssen.

Spoiler Warnung im Titel für den Fall, dass ihr euch „Captain Marvel“ noch ungespoilert anschauen wollt. Falls nicht – oder falls ihr noch zögert – habe ich direkt eine große Warnung für euch.

GUCKT IHN NICHT!

DER FILM ENTHÄLT LAUTER MÄNNERHASSERPROPAGANDA!!!

Ich als schwache Frau mit reduzierter intellektueller Kapazität wäre da ja gar nicht drauf gekommen. Gut, ich war auch ein wenig übermüdet, als wir am Freitag im Kino waren. Vielleicht ist es mir deswegen nicht direkt aufgefallen. Andererseits, mit so einem glasklaren Männerverstand kann ich einfach nicht mithalten. Ist mir ja auch klar. (Leises Weinen.)

Zum Glück gibt es Specialist-Nerd-Seiten, die solche Dinge im Detail erklären – und ich verlinke sie hier auch mal direkt, damit ihr euch alles im Original antun (und ggf. darunter kommentieren, falls denn gewünscht) könnt. Profitiert von der Weisheit von Cosmic Book News!

Falls ihr euch das nicht antun wollt, eine kurze Zusammenfassung. Natürlich nur unter Vorbehalt, ist schließlich von mir.

  1. Der Film ist voller „anti-male imagery“ und „feminist male-bashing elements“ (was auch immer das sein mag).
  2. Angeblich ist Carols Dad in den Rückblenden gemein zu ihr. Meine Theorie war ja, dass sie beim Kartfahren einen Unfall baut und er sagt: Tu das nicht. Blöde Idee. (hatte er ja auch Recht, sie hat einen Unfall gebaut). Und im Ernst, dieses „Ich hab’s dir doch gesagt“ in verschiedenen Variationen ist das Lieblingslied aller Eltern, die ich kenne. Nicht nur von Vätern. Und wahrscheinlich auch nicht nur Töchtern gegenüber.
  3. Carols Baseballteam ist gemein. (Ist mir komplett entgangen, ich hielt das für eine normale Sport-/Wettbewerbssituation. Bin offenbar nicht ausreichend sensibilisiert.)
  4. Der Typ auf dem Motorrad flirtet mit und beleidigt Carol. Eine Situation, wie sie im echten Leben NIEMALSNIENICHT vorkommen würde. (Räusper.)
  5. Und was ist falsch daran, eine erwachsene, ausgebildete Pilotin als „junge Dame“ zu bezeichnen? WAS NUR???
  6. Maria lässt ihre Tochter allein, um die Welt zu retten. Also, um genau zu sein, lässt sie sie nicht allein, sondern bringt sie vorher zu den Großeltern. Wie kann sie nur? Warum macht sie es nicht wie Hawkeye, der aus Rücksicht auf seine Familie von allen gefährlichen Kampfhandlungen Abstand nimmt? Ähm, Moment …
  7. Die Kree scannen Nick Fury und stufen ihn als „wertlos“ ein. Tja, die Kree – die intergalaktische Speerspitze des Feminismus. (Einmal ganz zu schweigen davon, dass Nick Fury den Kree im Nahkampf wirklich nichts entgegenzusetzen hätte.)
  8. Mar-Vell ist, im Gegensatz zu den Original-Comics, ein weiblicher Charakter – angeblich, weil es undenkbar sei, dass Captain Marvel ihre Fähigkeiten von einem Mann kriegt. Wenn ich das richtig verstanden habe – ihr müsst bedenken, ich war müde und intellektuell durch meine Weiblichkeit eingeschränkt – hat sie ihre Fähigkeiten dadurch bekommen, dass dieses Energie-Antriebs-Dingsie explodiert ist. Welches Geschlecht das hat, darauf habe ich nicht geachtet, ganz im Ernst. (Dass die Künstliche Intelligenz der Kree die Form der weiblichen Mar-Vell annimmt, anstatt als Mann aufzutreten, ist in diesem Fuílm nur logisch, wenn man als Prämisse annimmt, dass die KI/AI sich als ein Vorbild resp. eine Autoritätsperson präsentiert.)
  9. Es gab „Girl Songs“, beispielsweise von der Band No Doubt. Die kennt heute eh kaum noch wer, oder? Aber in den 90ern waren die DER SHIT. Habe ich gehört.
  10. Und jetzt, das ALLERALLERSCHLIMMSTE, mit mehrfacher Hervorhebung, um das komplette Drama ausreichend zu würdigen: NICK FURY SPÜLT DIE TELLER!!! Ich kann mein Entsetzen darüber, diesen Helden derart entmannt zu sehen, gar nicht in Worte fassen.

Außerdem hat Brie Larson sich sowieso den Hass des männlichen (und damit einzig relevanten) Publikums zugezogen, weil sie sich nicht auszieht und in einem Interview gesagt hat, sie wünsche sich mehr Diversität bei Filmkritikern. Wie kann sie nur??!

Meine eigene Meinung zum Film ist natürlich längst nicht so relevant wie diese glasklare Analyse der fiesen Männerhasser-Feministinnen-Agenda von Disney: Ich fand den Film unterhaltsam, er ist nicht mein Lieblings-Avenger-Film, und die Figur Captain Marvel ist für mich eher uninteressant, weil sie keine sichtbaren Schwächen (i.e. kein „Kryptonit“) hat. Im Ernst, wenn es so eine starke Figur im Marvel-Universum gibt, hätten die anderen Avengers-Filme eigentlich aus 5 Minuten Aufräumen und anschließendem gemeinsamem Besuch im Chinarestaurant bestehen müssen. Beide Twists (die guten Skrull und dieses Patch bei ihr im Nacken) waren für mich zu offensichtlich, aber ich mochte die Diversität im Film – gute und böse Männer und Frauen, komplexe Charaktere.

Aber wenn der arme Nick Fury Teller spülen muss, kann an dem Film nichts Gutes dran sein. Schaut ihn also lieber nicht.