Interspirituelle Toleranz

In meinem Büro herrscht derzeit Ramadan. Das ist einerseits ganz praktisch, weil sich dadurch unsere Arbeitszeit verkürzt. Andererseits sind all meine muslimischen Kollegen tagsüber veritable Zombies. Gegessen und getrunken werden darf während Ramadan nämlich nur zwischen Sonnenunter- und -aufgang, und das ist gegenwärtig etwa zwischen 22:00h und 3:00h.

Wir Nicht-Muslime fasten natürlich nicht. Aber wir versuchen, unsere Kollegen so wenig Versuchungen und „Folter“ wie möglich auszusetzen. Alle treffen sich zur Mittags- oder gelegentlichen Teepause bei uns unten im Übersetzer-Zimmer, wo wir alle Vorräte gebunkert haben. Und die Tür bleibt zu, damit man nicht riecht, ob wir Kaffee kochen.

Ich bin ein großer Fan interspiritueller Toleranz. Natürlich in erster Linie aus Eigennutz – als Hexe gehöre ich sozusagen einer Minderheit an. Oder würde es, wenn wir uns jemals zu einer Minderheit organisieren könnten. (Die perfekte Mitgliederzahl eines Hexenzirkels ist Eins.) Für mich gilt: Jeder soll den Weg gehen, der für ihn am besten passt, solange er allen anderen das gleiche Recht zugesteht und niemand verletzt wird. Missionierung halte ich allerdings für extrem unhöflich, weil es in meinen Augen impliziert, dass der Missionierende seine Religion für grundsätzlich besser hält als die der anderen. (Was bei den großen monotheistischen Religionen ja irgendwie impliziert ist.)

Leider ist es während Ramadan so, dass auch die sonst mehr geerdeten Kollegen, wenn wir Pech haben, uns auf einmal händeringend davon vorschwärmen, wie toll doch Ramadan ist und dass wir das auch mal versuchen sollten, es sei eine großartige spirituelle Erfahrung, und überhaupt der Koran…

Neulich habe ich einer sehr netten Kollegin gegenüber freundlich abgelehnt mit Verweis darauf, dass ich es als heuchlerisch empfände, der Praxis einer anderen Religion zu folgen. Als sie dann jedoch nicht locker ließ, wurde es mir zu bunt. „Möchtest du nicht beim nächsten Vollmond nackt mit uns im Wald tanzen?“

Diesen Blick hättet ihr sehen sollen…

(Sie hat dann abgelehnt und ist gegangen.)

Mein geheimes Büro-Spiel

Tagsüber arbeite ich in einem eher konservativen Umfeld – nämlich in einer Golfstaaten-Botschaft. Mit ausschließlich muslimischen Klienten und etwa 85% muslimischen Kollegen. Das bedeutet natürlich, dass eine gewisse Kleiderordnung vorherrscht. Als ich eingestellt wurde, hieß das: Nicht schulterfrei, kein zu tiefer Ausschnitt, die Röcke nicht zu kurz und die Hosenbeine nicht zu schmal. Eigentlich wie in einer Bank. Kann ich mit leben. In Wahrheit steht mir dieser Stil sogar ziemlich gut.

Als vor zweieinhalb Jahren der Attaché wechselte, wurde diese Kleiderordnung auf einmal strikter. Es gab keine offizielle Anordnung, aber manchmal wurde man von der Chefsekretärin beiseite genommen, die dann in ganz verschämtem Ton so Dinge sagte wie: „Du, dem Chef gefällt dein Rock heute aber nicht. Der ist ein winziges bisschen zu kurz.“ Oder: „Kannst du morgen vielleicht etwas anziehen, was etwas längere Ärmel hat?“

Seitdem diese Unsitte sich eingebürgert hat, spiele ich heimlich ein Spiel: „Ärger den Chef, ohne die Kleiderordnung zu missachten.“ Die Rocklänge stimmt, aber der Stoff ist in einem wilden Blütenmuster gehalten. Das Kleid reicht bis zum Knöchel und ist nicht figurbetont, passt auch hervorragend zum Blazer, dafür erinnert es eher an Hippies als ans Büro. Oder das T-Shirt ist zwar hochgeschlossen, aber auf den Schulterblättern sind Katzenaugen.

Vielleicht ist das etwas kindisch, zugegeben. Aber mir persönlich macht das großen Spaß. Und solange er keine explizite Kleiderordnung vorlegt, breche ich ja auch keine Regeln. ^^