Die KI-Keks-Vendetta (wie angekündigt)

Pinterest ist mein Anti-Doomscrolling-Zufluchtsort. Wenn ich Abends müde in der Ecke hänge und das Telefon in die Hand nehme, nur um sinnfrei zu scrollen, wechsle ich schnell zu Pinterest. (Das erklärt die etwa 2.400 geplanten Häkelprojekte.) Und weil ich Pinterest sehr gut eingerichtet habe, zeigt es mir Handarbeitsprojekte, niedliche Hüte – und Rezepte.

Screenshot von einem Blog "Recipes by Clare dot com" mit einem Bildausschnitt, der perfekte Spiralkekse mit eingekerbten Spiralen voll mit rotem Gelee zeigt.
Der verlockende Screenshot

Kurz vor den Feiertagen war ein Keksrezept dabei, das genau so schick wie einfach war – wenigstens versprach das das Rezept. Die Rede war von „Spiral-Rollenkeksen“. Ich war direkt verliebt, und ich hatte auch alle Zutaten daheim. Aber ich backe ja nicht erst seit gestern, und die Zutatenliste des Rezepts ließ mich stutzen. Angeblich sollte das Rezept mit Shortbread-Keksen enden, aber das Verhältnis der Zutaten war ganz falsch.

(Das beste Shortbread-Ergebnis bekommt man meiner Erfahrung nach mit einem Teil Zucker, zwei Teilen Butter, und drei Teilen Mehl – also 100 g Zucker, 200 g Butter, 300 g Mehl – plus etwas Salz und was auch immer man zum Aromatisieren nehmen will.)

Ein zweiter Blick auf die Bilder machte mich noch stutziger – und dann sauer. Denn mit dem beschriebenen Rezept bekäme man einfach nie die in den Bildern gezeigten Kekse raus. Und dann waren das auch noch Bilder von zwei unterschiedlichen Sorten Keksen.

Hier folgt ein kleiner Exkurs: Viele Leute, die ein Blog unterhalten, tun das in erster Linie, um damit ein wenig Geld zu verdienen – ich ja auch. Während ich euch ganz naiv davon überzeugen will, dass ich tolle Bücher schreibe, verdienen andere Leute über Affiliate Links Provisionen oder zeigen einem Werbung, bis der Bildschirm schlackert. Und um mit Werbung Geld zu verdienen, muss man viele Leute auf seine Seite kriegen. Dafür sind tolle Bilder von Vorteil. Wenn man mit den Bildern allerdings lügt, hört bei mir der Spaß auf. Und in einer zunehmenden Zahl von Fällen generieren Leute schnell irgendwelchen ästhetisch ansprechenden KI-Müll, um ein Blog mit möglichst wenig Aufwand mit Inhalten zu füllen, anhand derer sie euch Werbung in den Schlund stopfen. Dass das alles gelogen ist und beispielsweise die Rezepte gar nicht funktionieren – geschenkt! Hier geht es nicht darum, eine Community aufzubauen oder Wissen zu teilen. Diese Leute wollen nur möglichst arbeitsarm reich werden, und das auf euren Rücken und mit euren Daten.

Mein Verdacht im Fall der komischen Kekse also auch: Das ist alles KI-generiert. Bilder und Rezept. Aber beweisen konnte ich das nicht ohne weiteres. Also habe ich die Kekse zweimal gebacken – einmal so, wie sie da beschrieben stehen, und einmal so, dass ich wenigstens Kekse wie auf dem einen Bild rausbekomme. Nur das Teigrezept habe ich direkt geändert, denn ich mag nicht, wenn Lebensmittel verschwendet werden.

Screenshot: Spiralkekse, die den ersten Bildern nicht ähneln. Diese Kekse sind gefüllt und anders spiralisiert - eher wie marmoriert und nicht wie eingekerbt.
Genau dieselben Kekse wie oben, nicht wahr? (HUST!)

Die beschriebene Methode war ganz easy: Man mixt den Teig, rollt ihn flach aus, bestreicht ihn mit Himbeermarmelade und hat – voilà – wunderschöne windradähnliche Himbeerspiralkekse.

Nee, hat man nicht.

Sehr hausgemachte Rollenkekse, denen man das Gelee, mit dem der Teig bestrichen wurde, kaum noch ansieht. Sie sind eher oval, das Gelee klebt überall herum oder ist nicht zu sehen.
Das passiert, wenn man dem Rezept folgt.

Ich bin mir bei vielen Dingen nicht sicher, aber backen kann ich. Deswegen war ich auch sicher, dass diese schmackhafte Katastrophe nicht mein Fehler war. Und nachdem diese Version aufgegessen war, hab ich mich an eine zweite Variante gemacht.

Schaut mal, die eine Version KI-Kekse hat eine Himbeerfüllung und einen Himbeerstrudel, der sich komplett durch den Teig zieht, ohne dass die Kekse zerfallen. Keine Ahnung, wie das klappen soll. Experten hier? Schlagt mal was vor!

Die zweite Version hat einen gleichmäßig gefiederten Rand und nur zur Hälfte durch den Teig reichende Rillen, die mit Gelee gefüllt sind. Das kann ich. Am einfachsten ginge es mit einer spiralförmigen Stanze, aber mit etwas Sturheit und einem breiten Messer geht das genau so gut.

Ungebackene Plätzchen. Links rund ausgestochene Kekse mit gezacktem Rand, auf die rote Spiralen mit Gelee gemalt sind. Rechts fröhliche Schnecken, bei denen einige Details rot nachgezogen sind.
Teigrohlinge, eigene Kreation

Ich hab also noch einen Shortbreat-Teig gemacht, kleine Sonnen ausgestochen und mit dem Messer eine Spirale in den Teig geritzt. Das Himbeergelee (gekauftes diesmal, damit die Farbe besser zur Geltung kommt) habe ich in einem Gefrierbeutel durchgeknetet, dass es schon flüssig ist, dann eine winzige Ecke abgeschnitten und die eingekerbte Spirale vorsichtig mit dem Gelee gefüllt. Und weil ich gerade lustig drauf war, hab ich auch Schnecken und Pinguine mit dem Prägestempel gemacht.

Das Ergebnis, wenn man von meinem offensichtlichen Dilettantismus absieht, ähnelt den KI-Keksen doch direkt viel eher.

Gebackene Spiralkekse, leicht gebräunt.: Runde Kekse mit gezacktem Rand und eingesunkener roter Geleespirale
Direkt viel besser, nicht wahr?

Wisst ihr? Es macht mich sauer, dass Leute so einen Kram machen. Und noch saurer, dass man die dafür nicht belangen kann – heck, selbst wenn man könnte, würden die einfach verschwinden und in zwei Wochen mit den gleichen miesen Inhalten und neuem Namen irgendwo auftauchen.

Wenigstens war es eine wohlschmeckende Vendetta. Und im Sommer mache ich dann auf meine Art Spiralkekse mit Orangen- und Zitronengelee.

Ein zerbrochener Spiralkeks auf einem schwarzen Tellerchen. Man sieht im Querschnitt, dass die rote Spirale nicht bis zum Boden des Kekses reicht, sondern nur eingekerbt war.
Es stimmt, Rache ist süß. Und sie krümelt.

Von der Fantasie zum Produkt

Manche Produktentwickler sollten die Namen der wunderbaren Dinge, die sie auf die Menschheit loslassen, dreimal laut aussprechen, ehe sie sie in den Katalog schreiben.

Oder einmal anders – ganz ehrlich: Was stellt ihr euch unter einem „kleinen Zaubermeister“ vor?

Möglicherweise seid ihr ja nicht so abgrundtief verdorben wie ich, aber als ich vorhin in einem Blog übers Brotbacken las: „… und jetzt öle den Kleinen Zaubermeister vorsichtig ein“, dachte ich NICHT an eine Brotbackform. Um ehrlich zu sein, ich war fest davon überzeugt, ich sei falsch abgebogen und hätte einen Anwärter auf den „Bad Sex in Fiction“-Award vor mir. (Das ist eine augenzwinkernde Auszeichnung für schlecht geschriebene Sexszenen in der Literatur.) Sie ölte den kleinen Zaubermeister vorsichtig ein, spürte seine ganze Länge in ihren vor Begierde zitternden Händen … Kommt schon, begebt euch ruhig auf mein Niveau herunter, es ist spaßig hier unten!

Gut, andererseits – was weiß ich schon von Marketing? Immerhin wissen wir jetzt alle, was der „Kleine Zaubermeister“ ist. Und dank dieses eindrucksvollen Missverständnisses werden wir es auch so schnell nicht vergessen. ^^